Sylvia Flückiger politisiert seit über 20 Jahren – zuerst im Aargauer Grossrat und dann im Nationalrat. Dort steht die Unternehmerin mit viel Engagement vor allem für die Anliegen von KMU und Gewerbe ein. Nun hat sie von Bundesbern Abschied genommen, wird der Politik aber nicht ganz den Rücken kehren und noch weiter Verbandsarbeit leisten. Besonders freut sie sich darauf, gemeinsam mit ihrem Mann Hanspeter mehr Zeit zu verbringen und zusammen die Welt nah und fern zu entdecken und einfach das Leben ohne Agenda zu geniessen.
Sylvia Flückiger-Bäni begrüsst mich herzlich mit einem strahlenden Lächeln in ihrem schönen Daheim mitten im Grünen am Badweg in Schöftland. Es riecht erfrischend und beruhigend zu gleich nach Arvenholz. Ich fühle mich geborgen und wohl in der Stube der ehemaligen Unternehmerin, die bis vor kurzem mit ihrem Mann Hanspeter das Hobelwerk und Holzhandel-Unternehmen Flückiger Holz AG führte. Ihre Herzlichkeit und stets ein zauberhaftes Lächeln im Gesicht sind charakteristisch für die sympathische Aargauerin. Sie ist seit 2007 eine feste Konstante im Parlament. Als SVP-Nationalrätin hat sie drei Legislaturen mitgestaltet und unseren Kanton mit grossem Engagement vertreten. In den Medien wird sie als fleissige aber stille und unauffällige Bundesparlamentarierin dargestellt. Wer sie aber besser kennt und genauer hinschaut, stellt fest, dass dem nicht ganz so ist. Engagiert, zielstrebig und mit viel Herzblut hat sie ihre Anliegen jeweils vorgebracht. Dabei konnte sie sehr hartnäckig am Ball bleiben, wenn es darum ging, etwas, dass sie sich in den Kopf gesetzt hatte, zu erreichen. Als ehemalige Marathonläuferin und erfolgreiche Unternehmerin weiss sie, was es heisst sich durchzubeissen, und dass Ausdauer zum Ziel führt. «Diese Eigenschaft hat mir oft geholfen, in meiner politischen Arbeit weiterzukommen – aufgeben kam nicht in Frage.»
Mit Genugtuung, aber auch kritisch, schaut sie auf ihre Arbeit, ihre Voten, Motionen und Vorstösse in Bundesbern zurück: Das Einführen des Handzeichens am Fussgängerstreifen hätte sie im Parlament das erste Mal fast erreichen können, es hätten nur drei Stimmen gefehlt. «Leider erreichte ich dieses Resultat später bei einem neuen Anlauf nicht mehr. Die Situation am Fussgängerstreifen hat sich nun immer mehr verschärft, und niemand weiss offenbar, dass im Gesetz steht, dass der Fussgängerstreifen nicht spontan betreten werden darf», so Flückiger. «Mein erster Erfolg aber stellte sich ein, als ich für ein Anliegen der Bäcker und Confiseure kämpfte, mit der Änderung einer Verordnung betreffend Auszubildende. Dafür werde ich jedes Jahr mit einem feinen Zopf beschenkt.»
BöB als grosser Erfolg
12 Jahre lang war sie in der Wirtschaftskommission (WAK-n). Ihre Arbeit galt vor allem den Anliegen der KMU und des Gewerbes. «Durch meinen Einsitz im Aargauischen Gewerbeverband als Vizepräsidentin, im Vorstand des Schweizerischen Gewerbeverbandes sgv und als Präsidentin der Lignum, Holzwirtschaft Schweiz, wurde ich mit den Wünschen und Problemen – vor allem durch die überbordende Bürokratie und Reglementierung der Unternehmen – direkt konfrontiert. Diese Anliegen und Missstände konnte ich in die politische Arbeit miteinbeziehen und für bessere Rahmenbedingungen einstehen», stellt Flückiger fest. Ein Höhepunkt ihrer politischen Karriere ist für sie die Revision des Bundesgesetzes für das öffentlichen Beschaffungswesens (BöB) – die Umsetzung in den Kantonen muss allerdings noch realisiert werden.
«Dieses Dossier habe ich rund zwei Jahre für meine Fraktion betreut. Es ist gelungen weg vom Preiskriterium hin zu den Qualitätskriterien zu arbeiten. Auch die Preisdifferenz zwischen den Ländern konnte aufgenommen werden.» Dafür sei sie in der Presse mit «Heimatschutzartikel» aus der Feder von Sylvia Flückiger tituliert worden, was sie aber als eine Ehre betrachte. «Durch diese Revision werden unsere einheimischen Unternehmen und die Schweizer Produktion von den Aufträgen der öffentlichen Hand profitieren», so Flückiger. Ihrer Motion ist es auch zu verdanken – sie wurde von beiden Räten überwiesen – dass die Schweizer Bevölkerung 50 Franken von den zu Unrecht bezahlten Mehrwertsteuern auf Billag-Gebühren zurückbekommen wird – voraussichtlich im nächsten Jahr. Eine Herzensangelegenheit war für sie auch immer der Einsatz für die Schweizer Holzwirtschaft: «Dank vielen Gesprächen habe ich die Holzlobby in Bern gestärkt und ausgebaut, was mich freut. Der wertvolle Rohstoff Holz gewinnt laufend an Bedeutung.» Ein Höhepunkt war die Präsentation der Woodvetia Figuren im Bundeshaus – jede Figur ist aus einem anderen Holz aus unseren Regionen erstellt worden.
Nach diesen spannenden Jahren im Parlament kann sie auch ein Rucksack mit ganz persönlichen Erfahrungen und Lebensweisheiten mitnehmen. Ihre letzte Amtsperiode war am Intensivsten aber auch am Erfolgreichsten. «Ich habe die unterschiedlichsten Menschen, ihre Unternehmen und ihre Arbeit kennengelernt. Meine Fraktion wird mir fehlen, wir waren eine tolle Crew, ganz nach dem Zitat in der Bundeshauskuppel: einer für alle – alle für einen!», so Flückiger.
Mehr Unternehmer im Parlament
Die Politik hat Sylvia Flückiger ein halbes Leben lang begleitet und auch geprägt. Vor ihrem Nationalratsmandat, war sie acht Jahre Aargauer Grossrätin und vier Jahre Vize-Präsidentin der SVP Schweiz. 13 Jahre war sie auch als Arbeitgebervertreterin am Arbeitsgericht. Noch immer ist sie fasziniert von der politischen Arbeit. «Ich mag es, mit unterschiedlichsten Menschen zusammen zu arbeiten und Lösungen für verschiedene Probleme zu finden. Es gibt so Vieles zu erfahren und zu entdecken. Für mein Land und unsere Bevölkerung einzustehen, Abstimmungskämpfe zu führen, zu überzeugen, an Standaktionen zu diskutieren, Fragen zu beantworten, war für mich immer ein ganz besonderes Privileg.» Nach wie vor ist sie der Überzeugung, dass es noch mehr Unternehmerinnen und Unternehmer im Bundesparlament braucht. «Das ist von grosser Bedeutung, denn nur sie erfahren an der Basis tagtäglich, welche Rahmenbedingungen die KMU und das Gewerbe brauchen, um zu überleben im harten Gegenwind der ausländischen Konkurrenz», betont Flückiger. Leider hätte sie da andere Erfahrungen gemacht: «Im Wahljahr singen viele das Hohelied der KMU, dem Rückgrat der Schweizer Wirtschaft. Schnell ist dies danach aber wieder vergessen, wenn es in den Räten um deren Anliegen geht. Ein kleines Muster dafür ist mein gescheiterter Antrag, eine Pauschalentschädigung für das Erstellen der Mehrwertsteuerabrechnungen einzuführen. Dabei sind wir KMU und das Gewerbe die grössten Steuereintreiber des Bundes», stellt sie lakonisch fest.
Sorge tragen zu unserem Land
Und wie sieht die leidenschaftliche Politikerin die Zukunft der Schweiz? «Wir leben immer noch in einem der schönsten und besten Länder der Welt. Das ist nicht selbstverständlich und unsere Freiheit und unsere Werte müssen wir immer wieder verteidigen. Lassen wir uns von schönen Worten nicht blenden, kritisches Hinterfragen ist alleweil gefragt.» Was die Umwelt und Klimaerwärmung betrifft, so fragt sich Flückiger: «Was bringen all die vielen Proteste und Streiks ohne zur Kenntnis nehmen zu wollen, dass wir die Natur wenig bis gar nicht beeinflussen können? Mit der Umverteilung von viel Geld ändert sich das Klima nicht.» Der Klimawandel finde statt, ebenso die Bevölkerungsexplosion, das sei eine Tatsache. «Jeder Einzelne von uns ist nun gefordert, verantwortungsvoll mit Energie und Wasser umzugehen und mitzuhelfen, die Wegwerfmentalität zu stoppen. Dazu können wir alle etwas beitragen.» Was die Problematik der Zuwanderung betrifft, «wird sie uns auch in Zukunft noch beschäftigen», ist Flückiger ganz auf der Linie ihrer Partei. «Wir haben praktisch den stärksten Finanzplatz weltweit, das erzeugt viele Neider, und auch unsere Ressourcen sind endlich. Solange unsere Wirtschaft erfolgreich läuft, funktionieren auch die Sozialwerke. Aber die Bäume sind noch nie in den Himmel gewachsen.» Und Flückiger doppelt nach: «Wir müssen Sorge tragen zu unserem wunderbaren Land, wenn auch unsere Nachkommen noch eine Heimat haben sollen, wie sie von den Generationen vor uns erarbeitet wurde. Es muss gelingen, die Steuerung der Zuwanderung eigenverantwortlich selber in die Hand zu nehmen. Mit der EU muss endlich auf Augenhöhe verhandelt werden können und nicht mit einem Diktat.»
Ein unschlagbares Team
Sylvia Flückiger hat ihren Platz im Nationalrat mit der zu Ende gegangenen Legislatur Ende September frei gegeben und Abschied genommen von Bundesbern, mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht: «Ich darf eine schöne, arbeitsintensive und sehr interessante Zeit, oder man kann auch sagen einen Lebensabschnitt abschliessen. Es war eine grosse Ehre für mich, Nationalrätin zu sein. Ich habe zugunsten unserer Unternehmen, das heisst zugunsten von unseren Arbeits- und Ausbildungsplätzen und schlussendlich für den Werkplatz Schweiz, einiges erreicht. Wohlwissend, dass immer die Mehrheit entscheidet», zieht die 67-Jährige ein letztes Mal Bilanz. Doch ganz weg von der Politbühne ist sie noch nicht. So bleibt sie die nächsten Jahre weiterhin Präsidentin von Lignum und engagiert sich auch weitere vier Jahre im Vorstand von SWISS LABEL, die Gesellschaft zur Promotion von Schweizer Produkten und Dienstleistungen. Sie gehört zudem zur Kerngruppe von svizera27 und ist überzeugt, dass die nächste Landesausstellung in der Nordwestschweiz stattfinden wird. «Ich bleibe ein politischer Mensch und beobachte weiter, was sich auf der Schweizer Politbühne so abspielt, denn dies einfach so abstreifen geht nicht. Sie gehört zu meinem Leben», sagt sie.
Die passionierte Jägerin freut sich auf mehr Freizeit. «Für dieses Hobby habe ich mehr Zeit. Ebenso werde ich oft auf dem Bike in Feld und Wald unterwegs sein.» Und da wäre noch ihr geliebter Mann Hanspeter. Sie würde ihn sofort wieder heiraten, meint sei lachend. «Wir haben beide viel Verbandsarbeit geleistet und privat wie geschäftlich immer gut harmoniert. Hanspeter war für mich immer eine grosse Unterstützung, ohne ihn hätte ich all die Arbeit gar nicht bewältigen können», windet sie ihm ein Kränzchen. «Wir sind ein unschlagbares Team, dazu gehören natürlich auch unsere Söhne und die ganze Familie.» Sie freue sich auf die gemeinsame Zeit, ohne den Mahnfinger der Agenda im Nacken.
Corinne Remund