Mit spitzer Feder …

    Mir reicht’s!
    Greta!

    (Bild: zVg)

    Die Welt hat ein neues Feindbild, eine Trubleshooterin, einen Sündenbock – Greta Thunberg. Mit der von ihr ins Leben gerufenen Bewegung «Fridays For Future» brachte die junge Schwedin weltweit Klimaschutz wieder ganz nach oben auf die Agenda. Aus ihrem stillen Protest hat sich mittlerweile eine lautstarke internationale Bewegung entwickelt. Am 21. September hat Greta am Jugendklimagipfel in New York teilgenommen, zwei Tage später hat sie an der grossen Klimakonferenz mit Staats- und Regierungschefs vor der UN-Generalversammlung den Mächtigen dieser Welt bezüglich Klimapolitik ins Gewissen gesprochen. Die Interessen der Medien an Greta sind gross und es vergeht kein Tag, ohne dass Greta nicht in den Schlagzeilen steht. Dabei nimmt der Hass gegen die schwedische Schülerin immer mehr zu. Beleidigungen, Vergewaltigung- und Morddrohungen erhält Thurnberg inzwischen täglich. Seit Wochen sehe ich mit Entsetzen, wie sich auch in meinem Freundeskreis immer mehr Greta Hasser outen, wie sie Fakebildchen und Fakeberichte teilen, wie sie sich echauffieren, wie sie plötzlich von erwachsenen, gebildeten, vernünftigen Leute in einen geifernden Mob verwandeln, der seine Verachtung für dieses Mädchen und ihre Bewegung in die Kommentarspalten und auf die Timeline rotzt. Egal was sie tut, nicht tut oder nicht sagt, jeder ihrer Aussagen, Bewegungen, Mimik, Kleiderstil, Frisur – einfach alles wird kommentiert, analysiert, interpretiert und vor allem kritisiert und wenn immer möglich unvorteilhaft im Bild festgehalten. Gemäss einem Schweizer Medium gibt es jetzt sogar die Greta-Thurnberg-Helpline für alle Greta-Hater. Ja, Sie haben richtig gelesen: Wer Greta nicht mag und sich mit ihrer Meinung bezüglich Klimapolitik nicht identifizieren kann, ist ein sogenannter «(Greta)Hater» – das neuste (Un)wort des Jahres 2019.

    Ungläubig und mit einem Mix aus Erstaunen und Abscheu, verfolge ich dieses politische Medienspektakel. Die einzige Tatsache in diesem Trauerspiel ist, dass es schon lange nicht mehr um das eigentliche Kernanliegen von Greta – die Rettung der Erde respektive die Erhaltung des Klimas für nachfolgende Generationen – geht. Ich frage mich, warum erntet diese Jugendliche – eigentlich noch ein halbes Kind – so viel Hass und Häme. Sie wird wegen ihrem Engagement für eine gute Sache an den Pranger gestellt. Man zeigt mit dem Finger auf sie und scheut nicht davor zurück, ihr ihre Krankheit – das Asperger-Syndrom – als Mittel zum Zweck für ihr Ziel vorzuwerfen. Welche menschlichen Abgründe öffnen sich da? Ich dachte, die Menschheit hätte aus der vergangenen Weltgeschichte etwas gelernt. Es ist für mich psychologisch völlig verständlich, dass man nicht dafür belohnt wird, wenn man Menschen sagt, es muss sich etwas ändern. Und dass die 16-Jährige deshalb «die volle Ladung» der Klimaskepsis zu spüren bekommt. Aber so heftig und auf eine solch grausame Art und Weise! Bei zivilisierten Menschen setze ich Respekt und Anstand gegenüber seinen Mitmenschen wie auch anderen Lebewesen voraus. Immer mehr muss ich jedoch feststellen, dass diese Tugenden sehr rar geworden sind.

    Greta selbst gibt sich von dem Hass recht unbeeindruckt. Sie setzt sich unermüdlich für ihr Ziel ein. Sie lässt sich durch nichts davon abhalten und bleibt dabei wie ein Stein in der Brandung immer sich selbst. «Mein Gehirn arbeitet ein bisschen anders, also habe ich einen anderen Blickwinkel auf die Welt, ich sehe sie hauptsächlich Schwarz und Weiss», schreibt die Klimaaktivistin. Dass sie deswegen «anders als die Norm ist» sieht sie als «Superkraft». Bravo Greta, richtig erkannt! Die junge Schwedin vermag jedenfalls die Menschheit mehr für das Klimaproblem zu sensibilisieren als die Waldbrände im Amazonas. Sie hat es zudem geschafft, Erwachsenen ein schlechtes Gewissen zu machen und damit nicht nur privates Handeln, sondern auch die Politik zu beeinflussen. Selbst in der Schweizer Politik sind aktuelle Kursänderungen zu beobachten. Die FDP hat ihren Kurs in der Umweltpolitik geändert und der Ständerat hat das C02-Gesetzt verschärft.

    Ich wünsche Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, Gretas Mut anderes zu sein. Manchmal braucht es neue, frische und unkonventionelle Idee, um ans Ziel zu gelangen. Und vor allem wünsche ich Ihnen Herz und Verstand, viel Empathie für Ihre Mitmenschen sowie Demut und Dankbarkeit dem Leben gegenüber.

    Herzlichst,
    Ihre Corinne Remund,
    Verlagsredaktorin

    Vorheriger Artikel«Wir setzen uns ein für Respekt gegenüber jedem Alter»
    Nächster Artikel20’000 Besucher am Markt Aarauer Gewerbetreibender